Der Orangenexpress

Einst bewundernswerte Vision, heute sehenswerte Nostalgie

Nur mit Kutschen und Karren konnte man von Sóller den Rest Mallorcas erreichen

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Isolierung der Kleinstadt Sóller von der übrigen Insel durch den Gebirgszug der Serra de Alfabia im Südwesten mit einer Höhe von 1.067m nicht nur eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit für die im Tal des Tramuntanagebirges lebenden Bevölkerung. Es war vielmehr auch eine deutliche Begrenzung der Handelswege. Handelsgüter wie Orangen, Olivenöl und Stoffe wurden weitgehend übers Meer direkt nach Europa (Südfrankreich) verschifft. Der Landweg war kaum geeignet, Waren in die Hauptstadt zu schaffen. Mit Kutschen oder Karren musste der Coll de Sóller mit viel Auf und Ab überwunden werden. Die Wege oder Pfade waren steil und schmal und für Mensch und Tier äußerst anstrengend und zeitintensiv.

Tren de Sóller in der Tramuntana

Der Rest der Insel Mallorca war seit Ende des 19 Jh. von mehreren Eisenbahnlinien durchzogen, von denen allerdings die meisten um 1970 wieder geschlossen wurden. Jeronimo Estades, ein Solleric mit mutigem Unternehmergeist, schlug die Bahnverbindung zwischen Sóller und Palma vor und leitete diese auch in die Wege. Er stieß anfangs auf viele Widerstände, leistete aber mit seinem Pionier-Projekt einen bedeutenden Beitrag zur Modernisierung des Tals.

Die Bauarbeiten begannen auf beiden Seiten der Linie, bis nur noch die Serra de Alfabia durchbrochen werden musste. Die Strecke ist bewundernswert: mehrere Tunnel mussten gebaut werden, der längste misst mehr als 2,8 km. 8 Meter hoch ist das Viadukt "Cinc ponts" (5 Brücken), mit dem eine der Schluchten überquert wird. Die offizielle Einweihung der Bahnline von 27 km fand am 16. April 1912 mit zunächst 3 Dampflokomotiven statt und die ersten Orangen kamen auf der Schiene in der Hauptstadt an. Sicherlich wurden sie mit Begeisterung angenommen. Im Juni 1929 wurde die Strecke elektrifiziert und elektrische Antriebswagen (von Siemens-Schuckert) in Betrieb genommen.

Sehenswert sind das Gebäude des Bahnhofs von Palma mit einem Ausstellungsraum sowie der Bahnhof von Sóller mit Exponaten von Picasso und Miró.

Die Bezeichnung "Orangenexpress" erzählt von den Orangengärten, die der Zug im Stadgebiet von Sóller durchquert und hat nichts damit zu tun, dass man auf der Fahrt Orangen pflücken kann. Auch ist der Name ein Hinweis auf die Bedeutung des Zuges als Handelverbindung und Orangentransporter zur Gründungszeit des Zuges.

Mehr als 100 Jahre alt und immer noch täglich in Betrieb - Sóllers Straßenbahn

Häufig wird der Zug zwischen Soller und Palma auch als "Der Rote Blitz" bezeichnet, doch rot ist er nicht, schnell wie ein Blitz eigentlich auch nicht. Die Fahrt ist beschaulich und angenehm. Der Zug erinnert ein bisschen an die Züge des wilden Westens, mit Eisenstangen, welche die Plattformen absichern und Holzbänken mit verstellbarer Sitzrichtung. Auch die Luxuswagen, welche von Gruppen zu mieten waren, zeugen von einer glänzenden Vergangenheit. 

Kurz nach Baubeginn des Orangenexpress wurde erwogen, die Strecke von Stadtzentrum Sóllers bis zum Hafen zu verlängern. Aus Platzgründen war dies jedoch nicht möglich, weshalb schließlich eine gesonderte Strecke mit einer Straßenbahn gebaut wurde. Die Straßenbahn wurde am 13.10.1913 eingeweiht, die Strecke ist knapp 5 km lang. Sie war ursprünglich sowohl für die Beförderung von Personen gedacht, als auch für den Transport von Waren zum Hafen.